Manche Ereignisse im Leben kann man ja auch als Metapher sehen – wenn man sie mit dem nötigen Abstand betrachtet. Oder auch spielerisch als kreativen Impuls.
Und da ich eine Erfahrung nun gleich mehrfach gemacht habe, sprang mich das Thema plötzlich an: Manchmal geht’s hintenrum viel leichter.
Dazu erzähle ich erst einmal die Geschichten – und dann übertrage ich es auf den Alltag und überlege, was kann man auch für andere Bereiche vielleicht daraus lernen? Diese Überlegungen werde ich „schreibdenkend“ mit Ihnen gemeinsam durchführen.
1. Geschichte: Santorin
Vor vielen Jahren habe ich einmal mit meinem Freund Urlaub in Santorin gemacht. Wir unternahmen normalerweise nicht viel, sondern machten hauptsächlich Strandurlaub. In einem Reiseprospekt las ich dann von einer kleinen Kirche auf einem Berg, in der nur noch ein Mönch oder Priester leben sollte. Da hatte ich plötzlich die Idee: Wenn wir es schaffen, da rauf zu kommen und ich in diese kleine Kirche gehe, dann passiert vielleicht was Tolles. Vielleicht treffe ich sogar den „Eremiten“ und mich trifft unverhofft die Erleuchtung oder ähnliches.
Nun gut, wir machten uns auf den mühseligen Weg und kletterten bergauf. Dazu kommt, dass ich totale Höhenangst habe und mir schwindelig wird, wenn rechts vom Weg steile Abhänge sind. Dann wird mir totschlecht und schwindelig und auch auf diesem Weg schrie ich Zeter und Mordio.
Irgendwann hatten wir es dann geschafft und kamen oben an. Ich war dann doch etwas stolz auf mich und freudig erregt. Ungefähr 3 Sekunden lang.
Dann erlebte ich zwei herbe Enttäuschungen.
Von der anderen Seite führte eine große asphaltierte Straße den Berg hinauf und Busse voller Touristen kamen hier angefahren.
Zudem war das Kirchlein geschlossen, weil da gerade geputzt (!!) wurde.
Nun hatte ich in einschlägigen spirituellen Büchern gelesen, dass Schüler oft von ihren Lehrern getestet wurden, indem sie tagelang vor der Klostertür warten mussten. Um zu beweisen, dass es ihnen ernst war mit ihrer Wahrheitssuche. Also setzte ich mich hoffnungsvoll vor die Kirchentür.
Irgendwann kam ein mürrischer Priester vorbei, der mich keines Blickes würdigte und verschwand.
Meinem Freund wurde es irgendwann zu blöd, er war auch frei von irgendwelchen spirituellen Anflügen. So gingen wir den bequemen Weg auf der anderen Seite zurück und irgendwo lecker essen. Und mussten dann doch auch lachen.
2. Geschichte: Visionsplatz
Ich wandere in der Türkei ja immer wieder meinen geliebten Kanalweg, weil der so schön flach und bequem zu laufen ist und ich gleichzeitig durch die schönste Landschaft wandere.
Am Ende habe ich nun vor einem Jahr einen wunderschönen Platz entdeckt, den ich gleich den „Visionsplatz“ für meine Türkei-Seminare taufte. Ein Freund hatte ihn mir gezeigt, doch der Aufstieg war mit sehr mühseligem Klettern verbunden. Zwar nur 5-10 Minuten, aber sicher nicht für jedermann zu bewältigen.
Auch diesen Mai trabte ich also wieder mehrfach dorthin und genoss die unglaubliche Aussicht, rundum auf Berggipfel und Wälder. Und sah dann plötzlich einen kleinen „Weg“, kaum als solcher erkennbar. Aber offensichtlich waren da schon andere gegangen.
Im Sinne von #MuMuT beschloss ich ihn einmal auszuprobieren. Ich könnte ja jederzeit zurück gehen, wenn er mich in die Irre führte.
Doch siehe da, er führte mich ganz gemütlich vom Visionsplatz herunter. In einem kleinen Umweg zwar, aber so hatte ich nun einen Weg gefunden, den auch nicht so fitte Teilnehmer in späteren Seminaren nutzen können, wenn wir unseren „Visionstag“ einlegen.
Diese beiden Ereignisse brachten mich dann zum Nachdenken und zu diesem Thema: Manchmal geht es leichter hintenherum.
Zumal mir spontan noch eine dritte Begebenheit einfällt, wo ich auch ein kleines Stück den Lykischen Weg ausprobieren wollte. Es ging am Ende der Bucht von Cirali den Hügel hinauf, es gab auch ein Schild, aber offensichtlich war ich zu blöd, den richtigen Weg zu finden und krabbelte und kletterte querfeldein durch Dornen und Gestrüpp, bis ich oben ankam – und dann erst auf dem Rückweg den normalen Weg entdeckte.
Übertragung auf den Alltag
Was kann ich daraus vielleicht ableiten oder lernen? (Und Sie natürlich auch).
Erst einmal fällt mir auf: Ich bin bei den beiden ersten Beispielen gar nicht auf die Idee gekommen, erst mal auch nach einem einfacheren Weg zu schauen oder zu fragen. Vielleicht gibt es in mir solche unbewussten Glaubenssätze, die ein solches Vorgehen unterstützen. Spontan fallen mir folgende Sprüche ein.
[Tweet „Negative Glaubenssätze hindern uns manchmal nach einfachen Lösungen zu suchen.“]
Negative Sprüche und Glaubenssätze
– Es muss schwer gehen.
– Nur Ziele, die mit Anstrengung erreicht werden, sind wertvoll.
– Nur Medizin, die bitter schmeckt, wirkt.
– Ohne Fleiß (und Schweiß) kein Preis.
Sicher fallen Ihnen ähnliche Redewendungen ein. Überprüfen Sie einmal, ob sie auch solche Überzeugungen in sich tragen, die Ihnen das Leben manchmal schwer machen.
Positive Glaubenssätze
Dagegen könnte man ganz andere Überzeugungen setzen:
Es darf leicht gehen.
Es darf einfach sein.
Es darf Spaß machen.
Beides ist richtig
Wobei ich es aus meiner Erfahrung so sehe: es geht gar nicht um entweder- oder. Manchmal muss man Einsatz bringen, sich anstrengen und vor allem nicht so schnell aufgeben. Aber es darf eben auch manchmal einfach ganz easy und fröhlich passieren. Und ich kenne viele Menschen (einschließlich meiner eigenen Person), die manche Ergebnisse nicht so wertschätzen, nur weil ihnen die Arbeit daran Spaß machte und leicht fiel. So ein Schmarrn! Als ob es dadurch weniger wertvoll wäre.
Wie ist es bei Ihnen?
Vor allem gibt es aber eine Synthese, die ich in dem Sanskrit-Begriff „tapas“ finde. Ich habe ja auch eine Yogalehrer-Ausbildung gemacht, wo wir uns auch mit der Philosophie des Yoga beschäftigen. Eine der 10 „Gebote“ (= yama und niyama) heißt „tapas“ und wird oft übersetzt mit Askese. Es hat auch mit Disziplin zu tun. Man kann es aber auch mit „innerem Feuer“ übersetzen.
Und vielleicht kennen Sie das auch? Wenn Sie von einer Sache, von einem Ziel total begeistert sind, dann strengen Sie sich gerne an. Dann sind Sie so beflügelt, dass auch die Anstrengung Spaß macht.
Wenn Sie einen Berg besteigen, dann gehört schwitzen und zitternde Muskeln dazu, gleichzeitig genießen Sie die Bewegung Ihres Körpers und werden anschließend von einer fantastischen Aussicht belohnt.
Und was können wir nun daraus lernen
Wenn man das ganze nun noch mal als Metapher nimmt, wie könnte man diese „übersetzen“?
Hier eine erste Ideen-Sammlung – und ich lade Sie ein, Sie diese im Kommentar ergänzen.
Nicht immer ist der erste, sichtbare Weg der beste.
Es muss nicht immer mühselig und schwierig sein, ein Ziel zu erreichen.
Es lohnt sich manchmal, Dinge auch von einer anderen Seite aus anzuschauen.
Es lohnt sich, einmal um die Ecke herum zu schauen (oder zu gehen) und von hinten herum zu denken.
Es gibt immer einen leichten und einen schwierigen Weg.
Der kürzeste Weg ist nicht immer der schnellste.
Frage erst mal andere, wie sie es erreicht haben.
Und vielleicht waren die Kletter-Erfahrungen trotzdem nicht umsonst? Vielleicht hätte ich den Visionsplatz gar nicht so würdigen können, wenn ich vorher keine Anstrengung unternommen hätte, um ihn zu erreichen?
Beim dritten Beispiel habe ich zudem einen Aussichtsplatz unter einem Baum entdeckt, den ich dann auch später in meine Türkei-Seminare integriert habe. Von dort aus kann man nämlich zurück auf die Bucht von Cirali schauen (Rückschau) und zur anderen Seite auf die nächste Bucht (Zukunft). Diese Stelle hätte ich ohne „verklettern“ nicht gefunden.
Welche Ideen haben Sie dazu oder welche ähnlichen Erfahrungen haben Sie gemacht?
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