Weg mit Hindernissen zum Visionsplatz

An meinem letzten Urlaubstag (bevor die Online-Seminare beginnen) wollte ich endlich den Kanalweg laufen, den ich so sehr liebe. Wegen seiner Weitblicke, am Ende dem wunderschönen Visionsplatz (von mir so benannt, weil ich hier mit meinen Teilnehmern der Seminare den Visionstag einlege) und im Frühling mit vielen wunderschönen Blumen und Gräsern.
Doch ich musste mich aus verschiedenen Gründen regelrecht treten, um mich dann tatsächlich aufzuraffen.
Lesen Sie dazu auch: Hindernisse überwinden- und dadurch glücklich sein.

Aufbruch

Im Moment ist in Cirali noch nix los, ich habe den Eindruck, ich bin fast die einzige Touristin hier, daher befürchtete ich, dass auch nicht viele Autos fahren und das mit dem Trampen nicht so einfach wird. Der Dolmuş verkehrt noch gar nicht, weil sich das nicht lohnt.

Tatsächlich:

Ich war noch gar nicht an meiner Stelle angekommen, wo ich immer den Daumen raushalte, sondern noch auf der kleinen Brücke, da kam schon ein Auto. Das auch sofort hielt und mich mitnahm. So war ich also schon nach 10 Minuten am Kanalweg.

Glücksmomente

Kanalweg

Kaum auf dem Kanalweg, Sonne im Wasser, Klatschmohn am Rand, war ich rundum glücklich. So wie ich es auch oft zu Beginn meiner Sonntagswanderungen erlebe. Ich war so froh, hier zu sein und mich überwunden zu haben. Und bei den Weitblicken und den Blumen ging mir einfach wieder nur das Herz auf.

Klatschmohn

[Tweet „Hindernisse überwinden kann Glücksgefühle auslösen“]

Und immer treffe ich Bekannte

Ich war erst einige Schritte unterwegs, da kam mir ein Auto entgegen. Das konnte eigentlich nur Ahmet sein (und er war es auch), der ziemlich am Anfang ein Haus gebaut hat und in dessen Pension ich die ersten Jahre in Cirali gewohnt hatte. Ich fragte ihn nach den schwierigen Stellen. „Ja, es gehen schon welche.“ Aha!

Die drei Hindernisse

Das erste Hindernis ist gleich hinter Ahmets Haus. Genau da war ich schon mal mit einem Bein in den Kanal gefallen, als so eine wackelige Leiter drüber lag. Das war damals nicht dramatisch, es war heiß und ich ließ es beim Laufen trocknen. (Nur meine helle Hose hatte grüne Algenflecken).

1. Hindernis  1. Hindernis, 2

Nun waren ziemlich stabile Bretter drüber gelegt, trotzdem ging ich ganz vorsichtig wie eine alte Oma drüber, die Bretter könnten ja morsch sein.

Erleichtert machte ich ein Foto, als ich drüben war.

Das zweite Hindernis war verändert. Es war mehr vom Weg abgebrochen, ich konnte aber über die Kanalmauer laufen. 2. Hindernis

Nur am Ende gibt es eine doofe Stelle, zu schmal, um wirklich sicher auftreten zu können. Gleichzeitig aber auch kein tiefer Graben drunter, notfalls würde ich also nur in den Matsch fallen.
Aber auch das schaffte ich mit Bravour.

 

Beim dritten Hindernis stockte mir dann der Atem. Das war eindeutig schlimmer. Auch hier war noch mehr abgebrochen und zwar genau der Teil, über den ich immer drüber balanciert war. Statt dessen lag nun ein dickes Rohr im Kanal, daneben war noch ein klitzebisschen matschige Erde, die ich nun als neuen Weg nahm. Denn über diese schrägen Balken würde ich niemals gehen. Sie waren nun noch weiter vom Rand entfernt und hier war der Abgrund wirklich tief. Ein Absturz könnte locker ein gebrochenes oder verstauchtes Bein bedeuten. Oweh…

3. Hindernis

Aber auch das schaffte ich. Mit Herzklabaster und Schweißausbrüchen und erst mal was trinken, als ich drüber war.

Und fing schon gleich an Strategien auszumalen, wie ich einen anderen Rückweg wählen könnte :-).

Auf jeden Fall konnte ich mich ab hier entspannen. An einem kleinen Mäuerchen machte ich Rast, um etwas zu trinken.
Da kam die alljährliche Ziegenherde (zum Glück nur wenige Ziegen) und der bekannte Ziegenhirte mit Mundschutz. (Ich wüsste zu gerne, warum er ihn trägt. Ob er eine Ziegenallergie hat??)
Ziegen

Eine Ziege war eher neugierig als ängstlich und kam mir zu nah, daher verscheuchte ich sie mit meinen Walkstöcken.

Unbehelligt erreichte ich das Ende des Weges und das Haus eines Freundes, das leider immer noch eine Baustelle ist (das ist eine andere Geschichte).

Weg zum Visionplatz

Von da aus ging ich noch zum Visionsplatz hoch mit wunderbarem Weitblick auf den Tahtalı und visionierte so vor mich hin. Schrieb auch einige Erkenntnisse auf und legte mich kurz aufs Ohr.

Visionplatz

Nach kurzem Hin und Her entschloss ich mich, doch noch zur Straße weiter und zu dem Gözleme-Stand zu gehen, auch wenn ich keinen Hunger hatte.

Da stand gerade ein Reisebuss, zum Glück schienen sie in der Abreise begriffen. Was in der Türkei aber nichts heißen muss. Der Motor läuft, der Fahrer sitzt da oder steht rauchend daneben, während immer wieder jemand aus dem Haus und von der Toilette kommt. Seelenruhig und überhaupt nicht in Eile.

Drei ältere Frauen sitzen noch auf Stühlen und stellen gleich die obligatorischen Fragen. Wo ich herkomme, was ich mache… aha, aus Çıralı. Und bekomme mit, wie sie Hakan mehrmals fragen: „Alleine?“ Dass ich ganz alleine Urlaub mache und durch die Gegend laufe, das scheint sie schon zu wundern. Für mich wären solche Gruppenreisen in Bussen der wahre Horror.

Ich trinke nur zwei Tee, besuche die Toilette und als ich meine 2 TL zahle, lacht Z. nur. Und will mir noch 2 Orangen schenken. Doch ich mache ihr klar, dass mir das zu schwer ist (und ich habe im Hotel noch Berge von Orangen, die ich von Mevlüt geschenkt bekam). Als ich was von Rückenschmerzen sage (was ja nicht gelogen ist), erinnert sie mich marketing-bewusst an ihren Bruder Hakan, der auch als Masseur in Cirali tätig ist. Ha! Da ich am Tag vorher bei meiner Abendrunde eine Türkin kennengelernt habe, die 40 Jahre in Köln gelebt hat und hier Ayurveda-Massage anbietet, habe ich eigentlich bei ihr eine Massage ins  Auge gefasst.

(Das war wieder einer der krassen Begegnungen, wie ich sie hier eben dauernd erlebe. Sie auf der Straße zu treffen und nach einigen Sätzen türkisches Radebrechen mitbekommen, dass sie aus Köln ist!!!!)

AhmetEs geht weiter. Auf dem Rückweg läuft plötzlich Ahmet hinter mir. Er dreht vier Mal die Woche eine Runde durch den Wald und zeigt mir noch andere Wege für später. Dann verschwindet er eine Abkürzung über eine Schlucht, wo mir nur übel wird, wenn ich nur hinschaue, ich mache aber noch schnell ein Foto von ihm.

Auf dem Rückweg mache ich es mir leicht. Ich kenne da eine Abkürzung am Ende, die mir zwei der Hindernisse erspart. Als ich dann auf der Straße stehe, wo ich runtertrampen will, kommt und kommt kein Auto, das in meine Richtung fährt. Alle nur in die andere Richtung. Eins dieser Autos hält, und siehe da, es ist M., die ich am Vortag kennengelernt habe. Sie fährt für 5 Tage weg (schade, meine Massage), aber am Wochenende ist sie zurück. So weiß ich auch das.

Ein Auto kommt, ein kleiner Jeep, vorne zwei Männer, auf der Rückbank ein riesiger Hund und im Anhänger 4 Schafe. Nein, da passe ich beim besten Willen nicht rein und wir müssen alle lachen.
Nach gefühlten Stunden ( es waren wohl 5 Minuten) kommt tatsächlich ein Auto. Zwei türkische Männer vorne drin – und sie halten auch sofort. Juhuu. Wohin ich will. Na, nach Çıralı (das ist der einzige Ort, wenn man die Straße runter fährt). Sie schauen relativ verständnislos und mir wird klar, die wollen nach Yanartaş zu den Feuern, dazu muss man aber durch Çıralı.

Wir radebrechen wieder etwas auf Türkisch herum, wo ich wohne, was ich mache, wo sie wohnen bzw. Urlaub machen und als ich dann auf Türkisch sage, dass ich Deutsche bin, lacht sich der Fahrer kaputt. Ja, sie leben auch in Deutschland, nicht weit von meinem Dorf entfernt. Ich fasse es nicht! Und so können wir entspannt auf Deutsch weiter reden…

In Çıralı steige ich dann an meinem Weg zum Hotel aus. „Görüşürüz!“ „Wir sehen uns!“ Was ja  nicht einmal so unwahrscheinlich ist.