Ich habe schon oft geschrieben, dass Çıralı für mich ein magischer Ort ist, weil ich hier schon sehr ungewöhnliche Begegnungen und Erlebnisse hatte in den letzten Jahren.
Doch jetzt wurde mir bewusst, dass sich die Magie nicht nur auf solche besonderen Dinge bezieht, sondern sich auch im Alltag in vielen kleinen Erlebnissen zeigt.
Dazu möchte ich den heutigen Tag schildern. Ich bin ja heute erst den dritten Tag hier, wahrscheinlich bin ich daher auch noch bewusster für diese Besonderheiten. Im Laufe der Wochen fällt es mir vielleicht gar nicht mehr so auf.
Schlagartiges Umswitchen auf Entspannung
In den letzten Wochen zu Hause war ich extrem unter Stress, wie schon seit Jahren nicht mehr. Ich hatte sehr viel zu tun (was ja schön war), es spielten sich aber auch wieder Gewohnheiten ein, die ich gar nicht schätze. Selbst mein morgendliches Yoga schaffte ich nicht immer, oft fiel das Mittagessen und erst recht meine kleine Mittagssiesta aus, ich bekam wieder Schlafstörungen und häufig Kopfschmerzen. Ich versuchte noch gegenzusteuern, indem ich die letzten drei Sonntage konsequent freinahm und wandern ging. Aber das reichte nicht wirklich, um mich wieder ins Gleichgewicht zu bringen. Ich fühlte mich umzingelt von vielen Projekten und Aufgaben und wie es in solchen Zeiten ist, funkten noch ständig nervige Sachen dazwischen, die es nicht leichter machten. Mein Dauerkampf mit der Telekom, wegen ständigem Abbruch meiner Internetverbindung (wenn man Online-Seminare gibt, ist das nicht wirklich prickelnd), drei Mal tagelang keine E-Mails und kein Zugang zu meiner Online-Akademie, weil ich dringend ein update für mein Typo3 brauchte etc..
Dann die Anreise hierhin, mitten in der Nacht, was eine komplett schlaflose Nacht bedeutete.
Und hier schlagartig das Wunder: die ersten beiden Nächte schlief ich 8-9 Stunden. Das alleine ist schon ein Geschenk.
Heute morgen also wieder „zu spät“ aufgewacht und erst nach 8 Uhr zum Yoga am Strand. Dann ist es mir schon fast zu warm. Wie auch gestern, am ersten Morgen, war außer mir keine Menschenseele am Strand. Es war wunderbar still, sogar Autos fuhren kaum über die Straße in der Nähe. Einfach unfassbar.
Danach ein köstliches Frühstück und zum ersten Mal ging ich dann an den Strand. Herzliche Begrüßung in der Dione-Bar, wo ich seit Jahren am Strand liege bzw. sitze. Ich begann mit einem Buch, für das ich eine Rezension schreiben wollte, eigentlich mit der Vermutung, dass ich selbst nicht mehr so viel daraus lernen kann, weil ich ja schon so lange Trainerin und Coach bin. Doch relativ bald erlebte ich bei einer Übung, dass mir eine sehr wichtige Erkenntnis kam. Prima.
Kontakte, Kontakte, Kontakte
Relativ spät kam ich auf die Idee, einer Freundin, die hier lebt, eine SMS zu schicken, dass ich vor Dione sitze. Und 5 Minuten später war sie da. Wir hatten uns viel zu erzählen und verabredeten uns für den nächsten Abend zum Abendessen.
Als ich mich dann gegen 14 Uhr auf den Heimweg machen wollte, kam ich nur ein Lokal weiter. Da hatte ich Halil schon am Vortag vertröstet, dass ich später einen Tee mit ihm trinke. Jetzt also.
Er spricht sehr gut Deutsch und so erfuhr ich noch einige Döneken über Menschen und Ereignisse im Dorf, warum er nun in dieses Lokal gewechselt war, nachdem er Jahre lang wo anders gekellnert hatte.
Schließlich im Hotel machte ich mir einen kleinen Salat und legte mich aufs Ohr. Und wieder schlief ich ein wenig- wunderbar.
Danach wollte ich mich in die Hängematte legen und das Buch weiterlesen, zu dem ich eine Rezension schreiben wollte. Dazu überfliege ich nicht nur das Buch, sondern arbeite es in der Regel richtig durch. In der Hängematte war es doch zu unbequem, mir Notizen zu machen. Also beschloss ich spontan, an den Strand zu gehen. Diesmal vor das Restaurant vom Cirali-Hotel. Den Besitzer kenne ich auch gut, kann daher unbeschwert da liegen… Ich begann also das Buch und entdeckte schnell, dass es entgegen meinen Erwartungen doch auch für mich als alte Trainerin und Coach noch interessant ist. Denn bei der zweiten Übung hatte ich gleich eine interessante Erkenntnis, die mich beflügelte.
Ich quatschte dann zwei junge Männer an, die aus dem Wasser kamen, ob das Wasser nicht sehr kalt sei? Ich war nämlich seit meiner Ankunft noch nicht im Meer, weiß ich doch, dass es im Frühjahr ziemlich kalt ist.
Wir kamen ins Gespräch, und was soll ich sagen: sie kamen aus Köln! Sie waren mir ja schon vorher sympathisch, aber nun war ich begeistert. Aus meiner Heimatstadt. Sie machten Urlaub in einer Bettenburg an einem anderen Ort, fanden es dort schrecklich und hatten sich ein Auto gemietet, um einen schönen Strand zu suchen. Und landeten im schönsten Ort. Nun wollen sie jeden Tag wieder kommen und ihren nächsten Urlaub gleich hier buchen.
Unternehmens-Vision mit allen Sinnen erleben
Beschwingt las ich weiter, bis es mir zu kalt wurde. Zurück ins Hotel kam mir in den Sinn: Ich habe mich heute noch gar nicht bewegt. Mache ich doch mal eine ganz kleine Runde und schaue an der Pension vorbei, wo ich die ersten Jahre gewohnt habe.
Als ich in die Straße einbog, blieb ich erst mal an der Villa Lukka stehen. Das ist eines der Luxux-Angebote hier im Ort, aber wirklich schön. Der Garten ist zauberhaft und auch die Bungalows sind ausgesprochen geschmackvoll und sehr schön. Doch für mich (noch) nicht bezahlbar.
Ich bewunderte den Garten und sah dann erst, dass die Besitzerin ganz in der Nähe einen Blumentopf anstrich. Merhaba, nasilsin? Ich könne ruhig reinkommen und den Garten anschauen. Ja, Fotos dürfte ich auch machen. Ihr Mitarbeiter fragte dann, ob er mal ein Foto von mir machen sollte. Auja, bis jetzt habe ich noch keins von mir.
Schließlich wurde ich noch zum Kaffee eingeladen und setzte mich an ein Tischchen auf der Wiese. Zeyneb musste weiter und so saß ich da und träumte. Es passte auch zu meiner Lektüre, wo es um meine Vision als Unternehmerin ging. Wie ich den Erfolg erlebe.
Ha, hier konnte ich gleich schon „reich und berühmt“ spielen. So erfolgreich zu sein, dass ich mir so eine Luxushütte leisten kann.
Niedrige Preise sind nicht immer ein Magnet
Aber mir kam noch eine entscheidende Erkenntnis (nicht neu, aber immer wieder vergessen, weil sie nicht in das normale Denkschema passt):
Mitte April sind hier noch kaum Touristen, in der aktuellen politischen Situation noch weniger. Aber hier, im teuersten Hotel, sind vergleichseise viele Gäste.
Überhaupt war mir immer schon aufgefallen, dass hier zu jeder Zeit viele Autos vor der Anlage stehen. Hohe Preise schrecken also offensichtlich nicht ab. Im Gegenteil, sie haben besseren Zulauf als viele Billigangebote.
Das lässt sich sicher auch auf unseren Job übertragen. Neulich erzählte mir eine Kollegin eine verblüffende Geschichte von einer anderen Kollegin. Die hatte ein bestimmtes Seminarangebot, das sich nicht gut verkaufte. Sie überlegte, es ganz aus ihrem Portfolio zu streichen, verdreifachte aber erst mal aus Spaß die Preise. Und siehe da, seitdem läuft es.
Das ist doch ermutigend – oder?
Ich ging weiter zum Strand und am ersten Lokal wurde ich auch gleich wieder reingerufen. Ob ich was trinken oder essen wollte. Nein, ich schwatzte nur so etwas mit Cemil und drehte noch eine Runde am Strand. Beim letzten Lokal mit Deryas Bungalows setzte ich mich noch ein wenig ans Feuer und quatschte mit Derya. Es war seine Idee, dass ein großer Parkplatz gebaut wird (leider neben meinem Hote!!), damit die Autos nicht mehr am Strand parken. Das ist grundsätzlich nicht schön, wenn da dauernd Autos langfahren und parken, mit ihren Lichtern irritieren sie zudem die Schildkröten, die hier in bestimmten Monaten ausschlüpfen.
Ich fragte ihn noch über den neuen Bürgermeister aus, der mich vor Jahren noch als Fahrer vom Flughafen ins Hotel gefahren hatte. Keine schlechte Karriere. Und er scheint engagiert zu sein, was die Bewahrung des Naturschutzes hier angeht.
Noch eine letzte Runde durchs Dorf und ab ins Hotel.
Was ist nun daran magisch?
Wie sich alles so von selbst entwickelt. Wie ich es in einem Tag schaffe, aus meiner streng getakteten Planerei und Programmen auszusteigen und sich Dinge entwickeln lasse. Spontane Angebote annehme, mich nicht getrieben fühle, dies oder das dann und dann zu machen.
Sie denken vielleicht, naja, woanders und im Urlaub ist das ja leicht. Aber ich habe schon immer viel Urlaub gemacht und war schon in vielen Ländern. Doch so eine schnelle und radikale Veränderung meines Lebensrhythmus habe ich sonst noch nie erlebt.
Und diese vielen schönen Kontakte und Begegnungen. So gehäuft wie in Çıralı habe ich das sonst auch nie erlebt.
Ob plötzlich eine buddhistische Nonne aus Deutschland bei mir am Frühstückstisch sitzt oder ich zwei sehr nette türkische Maler kennenlernen (die dann mein Traumhaus kaufen- aber das ist eine eigene Geschichte) oder ich auch öfter Leute treffe, die ich aus Seminaren oder sonstwoher kenne.
Rundherum ist die schönste Natur. Nur wenige Meter bis zum Meer, in der Nähe Berge und Wälder. Man kann wandern, Bootstouren oder andere Ausflüge machen, aber auch komplett seine Ruhe haben. Ganz wie man möchte.
Jetzt werde ich noch ein wenig in meinem Roman lesen und dann mal früher ins Bett gehen, damit ich morgen nicht wieder „verschlafe“ und früher zum Yoga gehe. Den Sonnenaufgang werde ich zwar sicher nicht sehen, der ist um die Jahreszeit einfach zu früh und dann ist es auch noch zu kalt. Das gelingt mir nur im Herbst.
Iyi geceler! Gute Nacht!
Hach – das klingt alles herrlich 🙂
Ja, das ist es auch – immer wieder.
In einem Gespräch wurde mir auch noch ein Aspekt deutlich, warum es mir hier immer so schnell gelingt, aus dem Rödel-Modus auszusteigen.
Weil mir hier alles so vertraut ist. Ich muss mich nicht erst mal tagelang orientieren, wo was ist, sondern habe nicht nur 5 Taschen Krempel hier gelagert, sondern kenne alles und schau beim ersten Rundgang nur, was sich in der Zwischenzeit verändert hat, wo was gebaut wurde, wo noch die gleichen oder neue Mitarbeiter sind. :-). Das trägt natürlich auch zum schnelleren Ankommen bei.
Liebe Zamyat,
Du hast es so schön beschrieben und so lebendig! Alle meine Sinnen sagen: „nichts wie hin!!!“ 🙂 Danke für den schönen gedanklichen Ausflug!
Liebe Inés,
es dauert ja nicht mehr lange und dann bist du hier und kannst es selbst erleben. Ich freue mich schon sehr auf unsere Arbeit.