Einige Gedanken über das Leben
Angekommen im Paradies!
So lauteten meine ersten Posts bei Twitter und Facebook nachdem ich in Çıralı angekommen bin. Und Fotos vom zauberhaften Garten mit Rosen und Palmen und vom menschenleeren Strand.
Viele wünschten mir gute Erholung, eine Kollegin stellte einen Link ein zu Sicherheitsinformationen des Auswärtigen Amts über die Türkei.
Heute morgen beim ersten Yoga am Strand (auch hier war ich vollkommen alleine) kamen mir die Gedanken: Das Leben ist immer voller Widersprüche.
Wie dieser blühende Klatschmohn auf eine Schutthalde.
Nie ist etwas nur schwarz oder weiß.
Und kurz darauf: Und das ist das Leben!
Passend dazu fällt mir noch ein NLP-Zitat ein: „Es gibt immer mindestens eine dritte Möglichkeit.“ Auch dieser Spruch hat mir schon oft aus der entweder-oder Falle geholfen.
Natürlich sind die politischen und gesellschaftlichen Verhältnisse in der Türkei erschreckend und beunruhigend. (Das waren sie in meinen Augen schon all die Jahre: undemokratisch, autoritätshörig, unbequeme Journalisten und Künstler im Gefängnis…). Trotzdem fahre ich hin. Ich würde im Moment nicht an der syrischen Grenze Urlaub mache und nicht unbedingt nach Istanbul oder Ankara fahren. Sowieso fahre ich nie in Zentren von Massentourismus und Bettenburgen. Obwohl auch da die Wahrscheinlichkeit, dass gerade da eine Bombe hochgeht, immer noch unwahrscheinlicher ist, dass ich vom Auto überfahren werde oder von einer Leiter falle (wie eine andere Leserin schrieb).
Ich bin in einem kleinen Dorf am Meer. Hier fühle ich mich genau so sicher wie in meinem noch kleineren Dorf zu Hause in der Nähe von Köln. Und ich Köln kann auch eine Bombe hochgehen…
1. Beispiel
Ich besuche nicht ein politisches System, sondern ganz konkrete Menschen, die ich im Laufe der Jahre kennengelernt habe und sehr mag. Teilweise Freunde, teilweise „Geschäftspartner“ (ich führe hier ja auch Coachings und Seminare durch), teilweise „Dienstleister“. Wobei sich das hier alles immer ziemlich vermengt. Klar verdienen einige an mir (was ich völlig in Ordnung finde, ich nehme für meine Arbeit auch Geld), trotzdem und zusätzlich mögen wir uns und freuen uns, wenn wir uns sehen. Das geht mir zu Hause mit vielen Teilnehmern ja auch so. Ich bin mit vielen Kollegen und Teilnehmern befreundet.
2. Beispiel
Hier hat die Saison noch nicht begonnen. Sie startet eher im Mai. Ich bin der einzige Gast in dem kleinen Hotel (20 Zimmer). Himmlische Ruhe. Ebenso am Strand, ein fast menschenleeres Paradies.
Doch gleichzeitig wird gebaggert, gehämmert und gesägt. Denn von Mai bis Oktober ist Baustopp, während der Tourismus-Saison. Und nach dem Winter wird jedes Mal alles wieder neu aufgebaut: Die Sonnenschirme in den Strand getackert, alles aufgehübscht und irgendwas Neues muss ja sein. (Obwohl wir Touristen jedes Mal jaulen. NEIN, das war doch vorher viel schöner!! Das kapiert der Türke aber nicht :-))
3. Beispiel
„Flüchtlingskrise“.
Sie führt auf der einen Seite dazu, dass es eine AfD gibt und erschreckend viele Menschen eine solche Partei wählen, was mich fassungslos macht.
Gleichzeitig nehme ich auch wahr, wie viele Menschen sich für Flüchtlinge einsetzen und helfen. Tatkräftig und ausdauernd. In meinem Wohnort Lohmar gibt es eine sehr engagierte Flüchtlingshilfe, die Unglaubliches auf die Beine stellt und sehr viele Helfer hat. Und das sind nicht meine „politisch bewussten und engagierten“ Freunde – die haben alle „keine Zeit“ -, sondern ganz normale Menschen, die einfach anpacken. Damit hatte ich nicht gerechnet und es freut mich.
Ich glaube nach wie vor, es ist unsere Entscheidung, worauf wir unseren Fokus richten. Um bei dem simpelsten Beispiel zu bleiben. Ich kenne das, wenn ich völlig in etwas vertieft bin, nehme ich gar nicht wahr, dass der Nachbar seit Stunden Rasen mäht. Das kann ich dann vollkommen ausblenden.
So genieße ich mein Paradies, mit allen Widersprüchen im außen und in mir.
Liebe Zamyat,
das hast du wunderbar formuliert. Ja, das Leben ist selten schwarzweiß, es gibt sie eben, die vielen Graustufen. Und es liegt in unserem Ermessen, worauf wir den Fokus richten.
Ich wünsche dir eine schöne Zeit und freu mich auf meinen Monat in der Nachbarbucht im Juni.
Liebe Grüße
Heide
Liebe Heide,
danke für deine Wünsche… Gestern bin ich mit Silvia den Kanal-Weg gelaufen. Und Donnerstag gibt’s im neuen Café Mocca sogar eine Krimilesung. Und sie haben dort köstlichen Schokoladenkuchen :-).
Genussvolle Zeiten
Zamyat